Entfaltung bei den Hausaufgaben?

Mein Sohn ist acht Jahre alt, und leider gibt es beim Thema Hausaufgaben, so wie leider bei vielen anderen Familien, meistens viel Tränen und Schreierei. Aber ich denke, dass das auch klar ist: In solchen Momenten mit den Hausaufgaben kann sich kein Kind entfalten, und es ist auch lieblos, weil ich mein Kind zum Objekt meiner Erwartungen mache, dass ja die Hausaufgaben gemacht werden „müssen“.
Gerald Hüther sagte in einem Interview einen Satz, der mir etwas mehr Klarheit gebracht hat. „Wie soll sich ein Kind bitte bei Hausaufgaben entfalten können? Die müssen ja schließlich erledigt werden, es bleibt einfach keine Zeit zur Entfaltung!“
Das hat doch sehr viel Klarheit für mich gebracht. Also hatte ich mich gefragt: Wie kann man seine Entfaltung fördern und das Ganze „liebevoller“ gestalten?
An dem Tag wollte er sich mit einem Freund treffen und ich dachte mir, wenn er die ganzen Hausaufgaben jetzt machen soll, dann reicht es zeitlich nicht mehr zum Treffen, und dass es ja offenbar in der Schule darum geht, die Hausaufgaben erledigt zu haben und es eher unwichtig ist, es wirklich verstanden zu haben; ganz nach dem Motto „Friss oder stirb“. Dann halte ich es für wichtiger, den Freund zu treffen.
Also habe ich ihm, in Mathe, die Ergebnisse vorgesagt und wollte, dass er es hinschreiben soll, damit wir uns, so die Idee, dann ohne Druck, die Hausaufgaben erledigen zu müssen, dem Thema Mathe spielerisch widmen können. Dann ist etwas sehr Spannendes passiert: Er hat mich dabei gestoppt, die Ergebnisse vorzusagen – mit der Aussage, er möchte das selber machen. Das hat er vorher noch nie gemacht. Da war er anscheinend intrinsisch motiviert … wirklich sehr berührend.
Jetzt habe ich vor, das weiterhin so zu machen, das heißt: Ich habe jetzt ein White Board besorgt, und nachdem die Hausaufgaben vom mir erledigt sind, kann er ohne Druck am White Board sich spielerisch den Themen widmen.
Warum ein White Board? Der Grund ist, dass er nicht so versteift am Schreibtisch sitzen muss. Ich habe das Gefühl, dass es für meinen Jungen besser ist, wenn er stehen und sich bewegen kann (so wie bei mir). Das soll ja für das Gehirn auch besser sein, wenn Bewegung im Körper ist.
Jetzt schaue ich mal und bin sehr gespannt, wie dieser Prozess weitergeht.
Ich möchte einfach positive Veränderungen für alle in der Familie haben.

Liebevolle Zeit für euch alle!

Oliver Hoschek

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Antworten

  1. Lieber Oliver,

    dein Beitrag ermutigt mich, doch als Nachhilfe-Begleiterin beim Studienkreis anzufangen. Ich war am Montag das 1. Mal als Zuschauer bei einer Gruppe Grundschüler, die ihre Aufgaben machen sollten. Alles, was dort passiert, ließ mich die Kinder so sehr verstehen. Sie machten alles andere, als ihre Aufgaben, weil sie gezwungen wurden. Mama hat gesagt, du musst, sagte die Begleiterin, der ich bei der Arbeit zusah. Ich stand nach 30min. auf und ging. Alles in mir schrie, nein unter diesen Umständen will ich dort nicht arbeiten. Vielleicht bin ich ja dazu da, dort mal eine andere Sichtweise reinzubringen?

    Dein Beitrag ermutigt mich dazu. Ich bleibe dran.

    Liebe Grüße

    Gabriele

    1. Hallo Gabriele,
      Es freut mich sehr das dich mein Beitrag ermutigt etwas für die Kinder zu tun. Das zeigt ja deutlich was hier im Schulsystem falsch läuft. Ohne Druck lernt man eben am Besten und die Kinder bekommen Kompetenz fürs Lernen. Wenn Fragen sind oder du Unterstützung für Ideen brauchst, gerne wieder melden. Viele Grüsse Oliver

  2. Lieber Oliver, danke fürs teilen. Ich werde das als eine Möglichkeit verwenden, wenn ich darf. Ich unterrichte Seiteneinsteiger Grundschule, die den Beruf gerade erlernen und auf jeden Fall wollen, dass es den Kindern beim lernen Spaß macht, nur fehlt leider manchmal die zündende Idee. Wenn ich also darf, gebe ich deine Methode gerne weiter.
    Prof. Dr. Christian Spannagel,
    Professor für Mathematik und ihre Didaktik mit Schwerpunkt Informatik und Implementierung neuer Medien hat dazu etwas spannendes gesagt. Er sagte sinngemäß, dass man die Hausaufgaben so stellen muss, dass die Schüler sich sicher sind, dass sie die Lösungen im nächsten Unterricht brauchen, weil sie sonst nicht mitmachen können. Dann aber nicht gleich die Lösung geben, sondern erst mal die Kinder untereinander austauschen und darüber reden lassen, um dann zu erkennen, wo eventuell Input erforderlich ist. Das bedeutet für den Lehrer, seine Rolle als Mentor und Begleiter zu finden und die Fähigkeit zu besitzen, solche Aufgaben zu stellen und auch zu betreuen. Das kann man in jedem System machen. :-). Es geht immer nur Schritt für Schritt.

    1. Lieb Katrin, natürlich darfst du meine Methode anwenden, dass freut mich sehr. Es geht nur darum Druck zu reduzieren und sich entfalten können, am Besten mit Bewegung. Mein Junge ist während dem Üben ständig im Zimmer auf und ab gelaufen (das hat er von mir), dann haben wir sage und schreibe 1,5h Mathe geübt. Das hätte er vorher nie freiwillig gemacht und wir hatten auch dann eine sehr enge Verbundenheit und er wir kompetent was lernen angeht.

  3. VIelen Herzens-Dank für das Niederschreiben und Teilen lieber Oliver. …und vielleicht ist diese, ja gerade die Tugend/Gabe der Kreativität in uns eine unumgänglich wichtige. Für heute und für eine neue-friedliche, gerechte, schöne-Wir-Welt -Zukunft. Und – mit ihr, Im Einklang der befreite (ausgewickelte) Geist.

    PS. Ich will das unausweichlich in den Schulen vermitteln. Musik ist wahrhaftig menschlich! (tja alleine das wäre schon ein eigenes Schulfach, aber das meine ich jetzt nicht explizit:). Was ich Neues in die Schulen bringen will:

    Das „heraus kitzeln“ der inne-wohnenden schöpferischen Kraft (lat. creare) mit ganzheitlichen, integralen lebendigen Musikunterricht.
    Ja, neue Musik erfinden, gemeinsam co-creativ, Gedichte vertonen (und gleichzeitig Sprache ganz leicht lernen).
    Oder einfache, direkt aus dem tagtäglichen Leben der wunderbaren jungen Menschen Songs schreiben, nicht nur nachsingen, viel wertvoller ist aktiv bewusst kreativ erfinderisch Lieder schreiben und damit conlusio selbst die ganze Klaviatur an Gefühlen, die in jedem von uns auf- u abschwingen – wie Lebensfreude (Heureka), dankbar sein, Zuversicht, Zufriedenheit, Stolz sein, Liebevoll sein oder Ärger, Angst, Schuldgefühle, Kränkungen, unverstanden fühlen, traurig sein – sich von der, wortwörtlich, Seele schreiben und in Melodie u Rhythmus verweben, vertonen.

    Und so die Göttin der Kreativität (Sanskrit) bei jeden Jungen Menschen mehr und mehr lebendig machen bzw. wach küssen als sinnstiftendes Mehrwertprogramm zum abstumpfenden Konsum der digitaler Medien. (Anm: ich bin auch Technik affin).

    Und mein Herz geht über vor Freude wenn ich mir vorstelle, das jede Klasse in einer Schule ihren ganz eigenen Song oder Musikstück (alles offen) kreiert hat und zu den Anlässen (die oft sehr trocken ablaufen) performed werden. So wächst Selbstwert von innen. Und alle, ja wirklich alle (Eltern, SchülerInnen, Lehrer) sind „Stolz wie Bolle“

    Und das ist Bildung f ü r Menschen (wie Gerald es auch immer wieder betont) und nichts Anderes
    brauchen wir.

    Alles Liebe. Friedrich, Visionär, Dirigent, Pädagoge,

    1. Hallo Friedrich, das klingt toll. Mit Musik schaffe ich auch immer eine bessere Atmosphäre wenn die Stimmung schlecht ist und die Kinder sind entspannter, wenn es darum geht morgens “fertig” zu werden. Weiterhin viel Erfolg.

  4. Das Grundproblem ist das ganze Schulsystem, mit Frontalunterricht, Lehrplan, Schulstoff, der zu schaffen ist. Das sollte aus meiner Sicht dringend überarbeitet werden. Es gibt zum Beispiel in Finnland Schulen, die sowas überhaupt nicht mehr machen, sondern den Unterricht Themen bezogen wie Projekte abhandeln. Die nehmen zum Beispiel das Thema zweiter Weltkrieg Und beleuchten das von allen Seiten: welche Erfindungen wurden gemacht? Welche technischen Entwicklungen gab es? Welche politischen Hintergründe waren da? und so weiter. Die Kinder haben keine Hausaufgaben, sondern erledigen alles in Gruppen in der Schule. Das hat zur Folge, dass alle Kinder mehrere Sprachen sprechen und viel entspannter sind…

    1. Hallo Thomas, das mit Finnland finde ich total spannend, ja die im hohen Norden machen so einiges besser. Interessant ist auch das Gerald ja bereits mit dem Kultusministerium im Kontakt war um für ein besseres Schulsystem zu beraten. Aber es ist nicht umsetzbar weil sie dann nicht mehr gewählt werden, heisst die Eltern gingen deswegen schon auf die Barrikaden und haben noch mehr Leistungsnachweise verlangt, eben alle total im Hirn verwickelt.

  5. Lieber Oliver,

    vielen Dank für deinen Erfahrungsbericht. Ich mache es manchmal tatsächlich auch so. Wobei sie schnell fertig werden möchte um was anderes zu machen. Vielleicht kann ich da noch mehr ausprobieren.
    Ich ziehe das Treffen und Spielen oft vor, weil ich merke wieviel ihr das gibt im Gegensatz zu dem “Bulimielernen”.
    Leider muss sie die Hausaufgaben trotzdem machen. Deine Anregungen ermutigen mich, es weiter zu versuchen und auszuprobieren. Liebe Grüße, Doro

    1. Hallo Doro, schön zu lesen das du da ermutigt bist. Es geht ja darum den Druck zumindest zu minimieren um sich dann spielerisch ohne den Druck im Nacken zu entfalten und zu verstehen. So kann er, so das Ziel, immer mehr alleine die Hausaufgaben “erledigen”.