Körperhaltung und inneres Befinden

Etliche Bücher befassen sich mit den wohltuenden Übungen aus den Bereichen Yoga, Tai-Chi, Qi Gong u.a. All diese Richtungen sind mir vertraut und ich treffe fast täglich eine persönliche Auswahl. Vor wenigen Monaten praktizierte ich das Andreas-Kreuz und da kam mir plötzlich auf meiner Matte der Einfall, die Christuskreuzhaltung einzunehmen. Von der hatte ich im Zusammenhang mit Körperübungen noch nie gehört! Ich spürte dabei eine sehr angenehme Öffnung im Herzbereich und da ich zu dem Zeitpunkt mit bedrückenden Gefühlen zu tun hatte, merkte ich, dass die Bedrücktheit in dieser Haltung verschwand. Mir schien es, als habe ich in dieser Haltung eine Art Zufluchtsort entdeckt, einen Ort, wo belastende Gefühle und Gedanken keine Kraft haben.
Ich habe diese Haltung dann „mit ins Bett genommen“, da ich hin und wieder nachts und in den Morgenstunden unter bedrückenden Gefühlen und Gedanken leide, und machte wieder diese wohltuende Erfahrung. Während ich früher manchmal aufstehen musste, weil ich es so im Bett nicht aushalten konnte, kann ich jetzt liegen bleiben. Manchmal schlafe ich sogar in dieser Haltung ein. In aller Regel aber führe ich nach der Kreuzhaltung meine Hände auf Herzmitte zusammen; die Hände liegen dann ineinander gekämmt auf meiner Brust. In dieser Haltung kann ich wieder sanft einschlafen. Eine andere Variante: Ich winkele die Unterarme in der Kreuzhaltung zum Kopf hin an und liege dann in einer Haltung, in der Kinder oft selig schlafen. Ich muss dazu noch erwähnen, dass ich so schlafe, dass ich nach allen Seiten hin Platz habe.
In dieser Christuskreuzhaltung kamen mir auch Erinnerungen an meine kirchlich-christliche Zeit in jungen Erwachsenenjahren, einer Zeit, in der ich in der Bibel las, oft zum Gottesdienst ging und das Christuskreuz für mich ein Symbol für Erlösung war. Später fragte ich mich: Wie kann es sein, dass zur Erlösung, zur Vergebung von Schuld, ein Menschenopfer gebracht werden musste? Inzwischen bin ich 80 Jahre alt und habe diese Frage immer noch; sie mindert aber nicht die Wirkung dieser Haltung.
So weit meine Erfahrung.

Heion

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Antworten

  1. „Wie kann es sein, dass zur Erlösung, zur Vergebung von Schuld, ein grausames Menschenopfer gebracht werden musste?“

    Diese Frage passt zum heutigen Karfreitag und ich stellte sie mir das erste Mal vor eineinhalb Jahren am Schluss dieses Blogbeitrages, in dem ich speziell meine persönlichen Erfahrungen mit der Anwendung der „Christuskreuzhaltung“ schilderte.

    Erst kürzlich sind mir dazu Antwortgedanken eingefallen:

    Nachdem ich in meiner Jugend und frühen Erwachsenenzeit ein eher dogmatisches Religionsverständnis hatte, habe ich mich im Laufe meines Lebens davon lösen können und sehe die Zusammenhänge etwas freier.

    So stelle ich mir vor, dass Jesus Christus ein Menschenbruder war, wie jeder von uns. Zugleich hatte er von Anbeginn an eine besonders tiefe und klare wechselseitige Verbindung zum Göttlichen, die ihn befähigte, zu heilen und Schuld zu vergeben. Über seine Taten wird in den Schriften reichlich berichtet. Nachdem ich das Glück hatte, über längere Zeit mit einem besonderen, japanischen Zen-Meister Verbindung gehabt zu haben, kann ich mir übersinnliche Fähigkeiten sehr gut vorstellen.

    Nun lebte Jesus in einer Tradition, in der die absolute Auffassung bestand, dass Schuld immer gesühnt werden musste. Dabei war in der Vorstellung der Menschen die Gottheit auch damit zufrieden, wenn stellvertretend ein Opfer gebracht wurde, zum Beispiel ein Lamm geschlachtet und geopfert wurde.

    Jesus brach mit dieser Vorstellung, in dem er auf seiner Wanderschaft allein durch seinen Zuspruch auch schwere Schuld vergab. Darüber ist mannigfach berichtet.
    Mit dieser Praxis geriet er unter anderem in schweren Konflikt mit dem jüdischen Priestertum, das ihm den Prozess machte, der zur grausamen Hinrichtung am Kreuz führte. Jesus versuchte nicht, diesem grausamen Tod zu entrinnen, sondern nahm ihn zum Anlass, nun sich selbst – ganz gemäß seiner Tradition – „als Opferlamm“ zur Verfügung zu stellen, ja hinzugeben, um damit auch im Sinne seiner Tradition die Schuld aller Menschen zu tilgen und damit ein für alle Mal das Gesetz von Schuld und Sühne „in Verbindung mit dem Glauben“ außer Kraft zu setzen.

    Die im Christentum verkündete Vorstellung, dass Gott seinen Eigenen Sohn durch den grausamen Tod am Kreuz opferte, entspringt aus meiner Sicht der traditionellen und zwanghaften Auffassung von Schuld und Sühne, so als sei Gott in seinem eigenen System gefangen.

    Für mich macht diese Sichtweise Sinn und schenkt mir Frieden.

  2. Nachtrag…

    Gerade kam mir die Idee die Haltung des “Vitruvianische Menschen” auf dem Boden liegend einzunehmen. Diese Haltung empfinde ich als öffnend und wohlwollend. Es erzeugt bei mir ein Gefühl von HINGABE.
    Die “Christuskreuzhaltung” erzeugt bei mir eine Spannung im Becken, eine Spannung im Körper, vor allem wenn ich die Beine und Füße eng zusammen nehme und die Füße nach unten dehne.

    Probier es mal aus…wie empfindest du das im Vergleich?
    “Vitruvianische Menschen”: Auf dem Rücken liegen, die Arme nach oben leicht schräg und die Beine nach außen leicht schräg. Und locker lassen.

    Danke Heino für die Inspiration ;o)

    Hier der Text aus dem Internet:
    Der “Vitruvianische Mensch ist Symbol für Symmetrie, Schönheit und Körperbewusstsein”. Durch die absoluten Formen von Quadrat und Kreis, zitiert Leonardo die Zeichen des Mittelalters für Erde und Himmel.

    1. Liebe Ariane,
      deine anregenden Kommentare zu meinem Blogbeitrag KÖRPERHALTUNG UND INNERES BEFINDEN vom 5. Oktober 2022 habe ich erst jetzt gesichtet, da das System für Blogs keine Nachrichten über den Zugang von Kommentaren sendet.
      Besonders freue ich mich, dass du deine eigenen Erfahrungen über die Wirkungen von Körperhaltungen schilderst.
      Sehr passend dazu deine Bezugnahme auf den “Vitruvianischen Menschen”! Ich habe vor einiger Zeit mal ein T-Shirt geschenkt bekommen, auf der diese Zeichnung von Leonardo da Vinci eindrucksvoll abgebildet ist. Die Darstellung umfasst innerhalb von Quadrat und Kreis die Haltungen des Christuskreuzes und des Andreaskreuzes in einem Bilde.

      Das Andreaskreuz entspricht ja annähernd der vitruvianischen Haltung und ich empfinde dabei auch Offenheit und Hingabe.
      In der Christuskreuzhaltung empfinde ich besonders im Herzbereich eine erquickende Öffnung, die aber physiologisch auch im Andreaskreuz vorhanden ist.
      Wie in meinem Blogbeitrag beschrieben, hat die Christuskreuzhaltung bei mir noch eine außergewöhnliche, mentale, schützende Wirkung. Diese Wirkung erkläre ich mir aus der Symbolkraft des Christuskreuzes, das ja ein besonderes Symbol für menschliche Erlösung darstellt.
      Die Hände-aufs-Herz-Haltung ist meine bevorzugte Schlafhaltung geworden.
      Mit herzlichem Gruß
      Heion

  3. Lieber Heion,
    ich wende die Haltung die “Hände auf mein Herz” zu legen schon viele Jahre an. Damals mit Anfang 30 wollte ich mehr Kontakt zu mir selbst herstellen und das klappt prima bei mir. Vor allem habe ich dadurch gelernt mit meinem Herzen mehr zu kommunizieren. Ich fühle mich mit der Haltung “Hände aufs Herz” mittlerweile direkt intensiv mit meinem Herzen verbunden und kann mit der Herz-Qualität kommunizieren, ob in Worten oder Gefühlen oder Gedanken. :o)))

    Die Herzhaltung ist auch bekannt wenn wir uns stark erschrecken. Dann nehmen wir automatisch diese Haltung ein. Dies schützt in diesem Moment unser Herz.

    Ich kombiniere diese Haltung gerne mit der rechten Hand auf den Unterbauch und die linke Hand auf mein Herz. Das ist meine Haltung um sofort ganz bei mir zu sein.
    Als stark wahrnehmende Empathin darf ich immer wieder schauen, wie ich mich selbst intensiver fühlen kann, vor allem wenn ich mit mehreren Menschen beisammen bin. Dies habe ich mir irgendwann angewöhnt, wenn ich in Gruppen mit mehreren Menschen bin oder wenn ich spüre, das ich mich zu weit von mir selbst entfernt habe.

    Die Christuskreuzhaltung habe ich bis jetzt manchmal unbewusst ausgeübt.
    Wenn ich Rückenschmerzen habe lege ich mich gerne auf den Boden. Das entspannt mich und hilft mir mich getragen zu fühlen von Mutter Erde.
    Eben habe ich mich in dieser Christuskreuzhaltung bewusst begeben und spüre Entlastung wie sonst auch. Vor allem wenn ich die Füße sanft nach unten dehne, wird dieser Effekt verstärkt. Ich werde dies mal öfter anwenden und Erfahrungen sammeln mit der Haltung. Mal sehen was sich dann zeigt.

    Ich spüre gerade bei dem Wort “Haltung” sehr viel Kraft. Welche “Haltung” nehme ich in meinem Leben oder zu bestimmten Themen ein.

    Danke für das mitteilen. -sanftes lächeln-
    Ich Liebe die Einfachheit des Lebens mit seinen vielfältigen Wirkungen. ;o)))

    Von Herz zu Herz

    Ariane

  4. Lieber Heion,

    zur Christuskreuzhaltung möchte ich Dir sagen:

    Ich glaube, dass Jesus alle Menschen so angenommen hat wie sie waren. Aber damit tat er etwas, was moralische Autoritäten wie ein Staat oder eine Kirche von einem mit religiösem Anspruch auftretenden Menschen am wenigsten brauchen können. Religion hat für Moral zu sorgen, für Anstand, für Treue zum Staat, für das öffentliche Ansehen der Kirche oder des Priestertums. Und die Autoritäten schlugen zurück. Jesus wusste das. Und er wusste auch, dass er zwei Möglichkeiten hatte: Er konnte sein Leben retten, indem er seinen Einsatz für die Ärmsten beendete oder indem er ins Ausland ging, oder aber er konnte sein Ende erwarten. Und er hat eben mit seinem Tod auf gültige Weise bestätigt, es sei wahr was zwischen den Menschen und Gott gegolten hatte. Insofern starb er wirklich “stellvertretend”. Er starb für die Menschen.

    Diese Sätze habe ich von Jörg Zink, einem evangelischen Pfarrer und Schriftsteller.

    Martin

    1. Lieber Martin,
      ich danke Dir für Deine Erläuterungen zur Christuskreuzhaltung…
      Darüber hinaus möchte ich Dich und auch andere Leser und Leserinnen meines Beitrages gerne fragen, ob sie ebenfalls Erfahrungen mit dieser Körperhaltung gemacht haben.
      Für mich selbst ist die zufällige Entdeckung ein Geschenk. Als Nachwirkung einer Corona-Infektion vor 4 Monaten habe ich immer noch ein enorm erhöhtes Schlafbedürfnis von 10 bis 12 Stunden, während ich vorher mit 7 bis 8 Stunden ausgeruht war. Mir verhilft die Körperhaltung zu einem besonders geborgenen Schlaf, wobei sich bei mir bewährt hat, zunächst die Christuskreuzhaltung für eine Weile einzunehmen und dann zum Schlafen beide Hände wie beschrieben auf Brustmitte abzulegen.
      Mich würde interessieren, ob ich der einzig Glückliche damit bin oder ob andere Menschen Ähnliches erleben.

      Herzliche Grüße
      Heion

  5. Als mein Sohn knapp ein Jahr alt war, hatte er abends diese typischen Schreiattacken vor dem Einschlafen. Er beruhigte sich erst, wenn man ihm eine Hand ins Bett reichte. Dann ergriff er den Daumen und den kleinen Finger dieser Hand mit seinen beiden Händchen, zog die Hand auf seine Brust, wo sie liegen bleiben sollte, und schlief fast augenblicklich ein.
    Mein Vater zeigte mir später, wie man meinen Sohn, wenn er im Schlaf etwas unruhig wirkte, einfach dadurch beruhigte, dass man ihm die Hand auf die Brust legte.
    Wenn mein Sohn, jetzt 24 Jahre alt, bei mir zu Besuch ist und schläft, kann ich es manchmal beobachten, dass er auf dem Rücken liegt und seine beiden Hände auf der Brust ruhen hat.
    Das hat wohl so einen ähnlichen Effekt, wie du ihn beschreibst, lieber Heion.

    1. Herzlichen Dank, liebe Astrid, für die Schilderung dieser Beispiele aus Deiner Familie. Handberührungen wirken Wunder und da ist die eigene Hand nicht weniger wirksam, als die Hand einer Kontaktperson. Liebevolle Be-Handlungen lösen und entspannen. Bei Kreuzschmerzen z. B. hilft mir die massierende Berührung mit der eigenen Hand mehr als manche Körperübung – einfach, weil sich der schmerzende Bereich lösen und entspannen kann. Meine Augen sind deutlich besser geworden, nachdem ich durch Zufall entdeckt habe, dass durchaus kräftiges, aber gefühlvolles Massieren mit den Fingerkuppen (und Aloe Vera Gel als Gleitmittel) solche Wirkungen erzeugt. Die Augen freuen sich geradezu. Und ich glaube, das geht jedem Organ so. Da sind Organe wie Kinder.