Wie sehr sind wir Gefangene unserer eigenen Vorstellungen?
Im Gegensatz zu Tieren haben wir Menschen die Fähigkeit, uns etwas auszudenken und das dann für wahrhaftig zu halten. Mithilfe dieser Vorstellungen sind wir in der Lage, uns sogar über unsere Biologie und unsere eigenen, lebendigen Bedürfnisse hinwegzusetzen. Wir sind als biologische Wesen so organisiert, dass alles, was in unserem Körper oder Hirn passiert, darauf ausgerichtet ist, unser Leben zu erhalten und uns so in der Welt zurechtzufinden, dass es uns da gut geht. Als soziale Wesen brauchen wir andere. Alles, was wir können, müssen wir von anderen lernen, weil wir nicht wie Tiere über genetische Programme verfügen, die uns lenken. Unser Hirn ist zeitlebens lernfähig, und was uns bei der Suche nach „was ist richtig, was ist falsch, was gut, was schlecht“ hilft, müssen wir erst herausfinden. Gefundene Lösungen, die sich in bestimmten Situationen als hilfreich erweisen, werden dann im Gehirn verankert. Mit der Zeit bilden wir auch Vorstellungen darüber heraus, was wir sind, unser „Ich-Konstrukt“. Wenn ich merke, dass ich mit bestimmten Vorstellungen gut vorankomme und die dann im Hirn verankert werden, identifiziere ich mich damit.
Wenn wir unsere Vorstellungen ändern könnten, würde sich auch im Gehirn die Vernetzung ändern. Wir entfernen uns immer dann von unserer eigenen Lebendigkeit, wenn es uns in der Welt, in die wir hineinwachsen, nicht gut geht: wenn körperliche oder seelische Bedürfnisse nicht gestillt werden, das Bedürfnis nach Verbundenheit und eigenen Gestaltungsmöglichkeiten. Wenn wir diese beiden gleichzeitig stillen können, geht es uns gut. Wenn wir in einer Gemeinschaft leben, in der wir so, wie wir sind, angenommen werden, geht es uns gut. Dann können sich die angelegten Potenziale entfalten. Wenn es einem nicht gut geht, weil man erkennt, dass man nicht bedingungslos geliebt wird, wird das Entfalten gehemmt. Ebenso muss man das Bedürfnis nach eigener Gestaltungs- und Entdeckerfreude unterdrücken, damit man das lernen kann, was einem z.B. in der Schule vorgegeben wird.
Dadurch entsteht im Gehirn große Inkohärenz, es wird zu viel Energie verbraucht und das Kind muss schnell Lösungen finden, um die Kohärenz wiederherzustellen. Die Lösungen, die dann gefunden werden, sind häufig, die, die die Erwachsenen auch schon gefunden haben. Wenn diese Lösung so aussieht, andere zum Objekt zu machen, dann wird das Kind das auch so machen. Um aus diesen Wiederholungen über Generationen auszusteigen, müsste der Erwachsene Gelegenheit haben, sich aus diesen Vorstellungen und Verwicklungen zu befreien und wieder in Kontakt mit seinen wahrhaftigen lebendigen Bedürfnissen kommen. Mehr dazu im Video:
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