Was das Bedürfnis nach Gemeinschaft mit mir machte

Es ist Halloween. Meine Kinder freuen sich riesig darauf. Wir haben vor dem Haus alles toll geschmückt, haben gebastelt und unsere gruseligen Kostüme angezogen. Ich habe Obst und Gemüse aufgeschnitten und gruselige Hexenfinger gebacken (mit Honig statt Zucker). Alles haben meine Kinder schon kurz vorher voller Genuss gesnackt und genascht. Dann kommen die Nachbarn. Mit einem Schokokuchen mit Zucker und dicker Glasur. Bei den anderen Nachbarn stehen Körbe voller Süßigkeiten. Die Kinder fangen an, das Zeug in sich rein zu stopfen. Ich bekomme ein komisches Gefühl. Ich kenne dieses Gefühl bereits von Feiern oder wenn wir irgendwo zu Besuch sind. Wo ich Menschen beobachte, die Kuchen, Torten, Chips, Hamburger, Unmengen an Fleisch und Wurst vom Grill essen. Menschen, von denen ich weiß, dass sie unter chronischer Müdigkeit, Reizdarmsyndrom oder Übergewicht leiden.
Ich versuche mich zu entspannen. Mir einzureden, dass an Halloween ja schließlich alle Kinder große Mengen an Süßigkeiten verdrücken. Es gelingt mir nicht. Einige der Nachbarskinder ziehen los, um Süßigkeiten zu sammeln. Wir bleiben noch vor dem Haus. Später ziehe ich dann auch mit meinen beiden Kindern ein bisschen durch die Straßen. Wir haben viel Spaß dabei, uns die entgegenkommenden Kinder und Eltern mit ihren teilweise sehr lustigen Kostümen anzuschauen. Unser Highlight waren zwei große Dinos, die so groß waren, dass sie gar nicht richtig laufen konnten. Auch einige toll geschmückte Häuser entlockten uns ein Aaah oder Oooh. Es war ein schöner Abend, obwohl wir keine Tüten zum Sammeln und keine Süßigkeiten dabei hatten. Am Abend rief ich meinen Mann an. Er musste an diesem Tag arbeiten. Ich erzählte ihm von meinem komischen Gefühl. Und mich überkamen Zweifel, ob ich nicht zu streng bin mit mir und meinen Ansichten. Mit der Ernährung, dem Umgang mit Medien und anderen Dingen. Ob ich nicht lockerer werden sollte, denn es machen ja alle anderen auch so. Ich spüre auch mitunter, dass meine Kinder nicht anders sein, sondern dazu gehören wollen. Auch ich habe an diesem Abend oder auch manchmal bei Feiern diesen Wunsch, dazu zu gehören.
Ein paar Tage später, wir sind gerade draußen vor dem Haus, da besteht mein Sohn darauf, einen kleinen Tisch nach draußen zu tragen. Ich wundere mich, aber er war so beharrlich, dass ich beschloss, ihm zu helfen. Er sagte, er möchte in das Haus von unseren Nachbarn reingucken. Ich wundere mich immer noch, aber ich helfe ihm. Dann stellt er sich auf den Tisch, damit er in das Fenster reingucken kann. Ich sehe einen großen Fernseher, auf dem gerade irgendein Computerspiel gespielt wird, sehe Menschen, die sich mit leuchtenden Schwertern bekämpfen. Ich kriege schon wieder dieses komische Gefühl. Ich sage es ganz offen zu meinem Sohn, dass ich ein komisches Gefühl habe und dass ich es nicht gut finde, wenn er da zuschaut. Dass das nichts Schönes ist, was da auf dem Fernseher läuft, dass ich mich unwohl fühle. Mein Sohn guckt noch kurz durch das Fenster, dann kommt er zu mir und wir tragen zusammen den Tisch wieder nach drinnen. Es ist bereits dunkel geworden. Meine Kinder bestehen darauf, noch im Dunkeln auf den Spielplatz zu gehen. Sie haben beide eine elektrische Kerze dabei, sonst nichts. Wir laufen los und die Kinder leuchten mit ihrer Kerze den Weg. Sie sind so ausgelassen und so glücklich, nur mit dieser Kerze. Sie experimentieren mit Licht, schreiben Buchstaben aus Licht in den Himmel, sie laufen voran und leuchten mir den Weg. Meine Lichterkinder. Wir sind auf dem völlig dunklen Spielplatz. Die Kinder stellen ihre Kerze in den Sand, dann steigen sie auf die Schaukel und wir spielen Rakete. 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1, 0 und die Kinder starten los zum Mond. Es ist ein wunderbarer Abend. Ich fühle mich nicht mehr komisch. Ich fühle die Lebensfreude meiner Kinder und bin unendlich dankbar für diesen Moment. Nur ich, meine Kinder und die beiden Lichter, im Dunkeln auf dem Spielplatz. Das ist nur einer dieser Momente. Ich erlebe täglich solche Momente mit meinen Kindern, Momente, die mir zeigen, wie wertvoll das Leben ist. Manchmal bin ich ein Pferd, das durch die Gegend galoppiert. Manchmal ein Fußball-Star. Manchmal sind meine Hände kleine Seefahrer. Manchmal bin ich ein Hüpfkissen, manchmal ein Kuschelkissen, manchmal ein Boxsack. Manchmal retten wir Regenwürmer. Manchmal mahlen wir unser eigenes Mehl. Manchmal sammle ich Brennnesseln und Löwenzahn für einen Salat. Manchmal meditiere ich. Manchmal laufe ich bei 5 Grad barfuß durch den Garten. Fühle ich mich dabei komisch? NEIN.

Maria Brandenburg

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Antworten

  1. Ich kann mich noch erinnern, als im Kindergarten meines Sohnes die Erzieherin mich fragte, ob ich meinen Sohn nicht öfter fernsehen lassen könnte, damit er “mitreden” könne, wenn sich die Kinder über bestimmte Sendungen unterhielten oder diese nachahmten. Sie sah mich verständnislos an, als ich versuchte zu erklären (und mich schon fast dabei entschuldigte), dass mein Sohn irgendwie kein Interesse an Fernsehen habe, sondern lieber basteln, CD hören, Bilderbücher anschauen oder mal einen Videofilm sehen wollte.

  2. Erinnert mich an die Zeit, als meine Kinder klein waren. Mir ging und geht es noch heute so, dass ich mich anders fühle als die anderen. Aufgrund unserer Einstellung zur gesunden Ernährung und wir schauen fast gar kein Fernsehen. Computerspiele gibt es in unserem Haushalt nicht. Und trotzdem möchte man dazugehören. Mittlerweile ist es so, dass ich zuhöre und oft meine Meinung nicht sage, weil die nicht gerne gehört wird. Aber, wenn jemand einen Rat oder gar Hilfe braucht, bin ich da 🙂
    Unsere Kinder, je älter sie werden, sagen uns immer öfter, wie froh sie sind, dass wir ihre Eltern sind.
    Alles richtig gemacht:-)