Das Geheimnis meiner Lebensenergie

Ich bin Arbeiterkind. Ich komme daher, wo es richtig dunkel war.
Mein Vater war Bergmann, wegen eines Ekzems an den Händen ist er zum Straßenbau gewechselt. Später wurde er Schulhausmeister. Dafür sind wir aus einer Kleinstadt nach Bonn gezogen, in die damalige Bundeshauptstadt. Mein Vater hatte ein seeeeehhhhhr schlechtes Selbstwertgefühl und trank viel Alkohol, um dieses Gefühl zu betäuben. Seine oft sehr schlechte Laune ließ er gerne an seinen Kindern aus. Ich als Älteste war besonders betroffen von Schlägen. Ich hatte Angst vor meinem Vater. Richtig ANGST. Aus Angst vor meinem Vater habe ich mich stundenlang unter dem Bett versteckt. Dort – in einem Spalt von etwa 30 cm hinter drei Spielzeugkisten – habe ich gelernt, meine Energie runterzufahren und meine Gefühle abzuschalten.
Dass das so war, ist mir noch nicht lange bewusst. Dass ich AKTIV meine Lebensenergie noch weiter nach unten gefahren habe. Denn besonders hoch war meine Energie ab einem gewissen Alter sowieso nicht mehr. Meine Mutter ist leider auch keine freundliche Frau. Sie hat – bedauerlicherweise immer noch – Rasierklingen auf der Zunge. Das heißt, sie kann mit Worten bösartig sein, richtig bösartig. Meine Mutter wurde als Kriegskind schwer traumatisiert und in ihrer Persönlichkeit gestört. Eine Persönlichkeitsstörung ist ein Zustand, der sich nicht verändert – quasi eingefroren ist als Traumafolge. Nur sie selber könnte etwas daran verändern. Sie möchte nicht. Weil sie nicht den Mut hat. Sie lässt gar nichts an sich heran – nicht, was ich sage, nicht, was andere sagen. Meine Mutter ist fest davon überzeugt, dass alles, was ihr schiefgeht, andere verbockt haben. Als Kind war ich ihr Sündenbock. Ich wurde für vieles verantwortlich gemacht, was ihr nicht gelang. Sie schrie mich dann unvermittelt an. In unserer Familie herrschte ein unerträglicher Umgangston – ständig Gekeife meiner Mutter, häufig sehr heftige Streits zwischen meinen Eltern. Meine Mutter warf Töpfe nach meinem Vater durch das Treppenhaus. Jeden Tag war der Ton laut und unfreundlich, täglich wurden wir Kinder massiv verbal abgewertet und dazu häufig geschlagen. Heute sage ich, es gab KRIEG in meiner Familie.
In einer Körpertraumatherapie habe ich mich diesem inneren Kind genähert, das manchmal immer noch unter diesem Bett lag – in einem Zustand wie abgeschaltet – fast tot. Durch die Therapie angeregt, habe ich begonnen, mit diesem Kind in mir zu sprechen. Habe ihm eine Taschenlampe angeboten. Damit es etwas heller wird unter dem Bett. Als Kind hatte ich eine winzige Taschenlampe aus einem Überraschungs-Ei. Mit der habe ich unter der Bettdecke gelesen. Das durfte ich nicht – und habe es trotzdem getan. Denn ich habe liebend gerne gelesen. Da das reale Leben so unangenehm war, habe ich ab dem Alter, als ich lesen konnte, fast nur in Büchern gelebt.
Schon immer habe ich mich nur an die Regeln gehalten, die ich auch nachvollziehen konnte. Lieber bin ich meinen lebendigen Impulsen gefolgt als zu gehorchen;-)
Mit der Ansprache ging es diesem Kind in mir nach und nach besser. Habe es dann immer mit mir mitgenommen und einen Platz für dieses Kind gefunden: unter einem Tisch oder einem Sofa. Die Taschenlampe hat es gerne genommen.
Ich war ein seeeeehhhr eigensinniges Kind, das sich von Schlägen nicht wirklich hat regulieren lassen. Ich habe sogar gegrinst dabei, damit niemand merkt, wie weh mir das tut. In mir befindet sich ein starker Kern – mein Wesenskern. Bis heute erfasse ich erst nach und nach, was da noch alles in mir steckt. WUT – heftige Wut und Trotz waren als Kind wohl häufig meine Gefühle. Die Wut musste ich unterdrücken. Daher freue ich mich heute, wenn ich wütend werde. Ich KANN wieder fühlen, MICH fühlen, das Leben fühlen und mittlerweile häufig sogar Freude fühlen. Auch den Schmerz hinter der Wut. Und DA wird es wirklich interessant.

Mittlerweile bin ich oft in einem Zustand, wo ich vor Freude fast platzen könnte

Als Kind – vielleicht war ich acht Jahre alt – kann ich mich erinnern, dass ich meine Geschwister in die Küche gerufen habe und wir dort ein Konzert mit Topfdeckeln gegeben haben. Meine Mutter war krank, wollte sich hinlegen und hatte um Ruhe gebeten. Wenn meine Mutter davon erzählt – das tut sie noch (sie erzählt vor allem alte Geschichten) –, hat sie immer noch HASS in ihren Augen. Hass auf ein achtjähriges Kind. Meine Mutter hat sich nie gefragt, ob sie selber irgend etwas mit meinem Verhalten zu tun haben könnte.
Nicht gesehen, nicht gehört, nicht beachtet – stattdessen angeschrien, abgewertet und geschlagen – gefühlt war das meine Kindheit. Wir hatten ein Dach überm Kopf, Kleidung und zu essen. Das war’s. Meine Mutter hat sich gefühlt nur über uns beklagt. Dabei ist ihr gar nicht aufgefallen, dass sie, dadurch, dass sie uns das Leben geschenkt hat, zunächst die Verantwortung für unsere Existenz trug.
War alles schlecht? Nein! Für den Zugang zum Lesen bin ich meiner Mutter sehr dankbar. Meine Mutter hat mich gleich in der ersten Klasse in eine Leihbücherei mitgenommen. Da waren wir fortan oft. Und auch dafür, dass sie gegen meinen Vater durchgesetzt hat, dass wir aufs Gymnasium gehen durften, meine Schwester und ich. Mein Vater war der Meinung, „die spucken uns doch auf den Kopf“. Gekocht hat meine Mutter auch gut – mit Gemüse aus dem eigenen Schrebergarten. Dort hat es mir sehr gut gefallen. Wir haben sehr viel Zeit in diesem Garten und damit in der Natur verbracht. Daher habe ich meine Verbindung zur Natur.
Für das spezielle Trainingslager – die oben geschilderten nicht so schönen Aspekte – habe ich meiner Mutter sogar gedankt. Meine tiefste Wunde ist das goldene Tor zu meiner Essenz. Ich beginne gerade, mich dieser Aufgabe – Aufarbeitung meines Traumas – zu stellen.
Rebellisches Verhalten habe ich lange noch in meinem Erwachsenenleben an den Tag gelegt. Lange war ich in einem Überlebensprogramm gefangen. Eine Diagnose war „Posttraumatische Belastungsstörung, chronisch komplex“.
Zweimal bin ich von meinem Arbeitgeber entlassen worden. Das muss man erst mal schaffen. Für mich war das ein Klacks. Denn wenn ich mit diesem Elternhaus eins nicht leiden kann, dann sind das Autoritäten, die mir autoritär kommen. Mich unterwirft man nicht. Entweder gibt es einen respektvollen wertschätzenden Kontakt auf Augenhöhe oder ich sprenge meinen Job in die Luft – ich gehe. Als ich noch angestellt war, und später als Freiberuflerin, kam ich dort gut klar, wo man mir Freiraum ließ und ich die mir gestellten Aufgaben mit meinem eigenen Lösungsweg lösen durfte. In dem Fall – dachte ich damals – habe ich alles, was ich brauche, und könnte alt werden in der Firma.
Zum Glück wurde umstrukturiert und eine Freundin wurde meine Vorgesetzte. Das hat mir nicht gefallen. Weil mir außerdem nach sieben Jahren langweilig war, habe ich mich weg beworben. In die Firma, wo ich dann das zweite Mal entlassen wurde. Wie schon vorher bei meiner Doktorarbeit habe ich danach die Flucht nach vorn angetreten – selbstständig in die Freiberuflichkeit – zunächst mit den Themen in der Pharmaindustrie, die ich vorher auch als Angestellte bearbeitet habe. Das war als ehemaliges Arbeiterkind für mich ein großer Schritt. Allerdings habe ich sofort deutlich mehr Geld verdient – das mit deutlich weniger Arbeitszeit und – hatte zudem auch noch Zeit für die Themen, die mich wirklich interessiert haben. Ich hatte deutlich mehr FREIHEIT.
Mit der Freiheit habe ich Blut geleckt. Es ist wunderbar, in seinem Leben selber entscheiden zu dürfen, wann ich aufstehe, wann ich welche Aufgabe erledige und was für Aufgaben ich mir stelle.
Nach fast zehn Jahren freiberuflicher Tätigkeit hat meine Seele noch deutlicher als vorher die Führung übernommen. Ich spürte ganz deutlich: Ich KANN nicht mehr für Pharma arbeiten und ich will nicht mehr. Ab Ende Januar 2023 habe ich mich neben ein paar Anamnesen fast ausschließlich auf die Freude ausgerichtet. Wenn es mir mal nicht so gut ging – und das war öfter der Fall, habe ich mich gefragt, was mir jetzt helfen könnte, damit es mir wieder besser geht.

Wichtig dabei war: Ich gebe mir die Erlaubnis, das auch zu tun.

Endlich raus aus dem alten Programm „Das was ich tun WILL, darf ich nicht tun. Stattdessen MUSS ich tun, was andere mir sagen, ich aber gar nicht tun will“.
Endlich folge ich MEINEN Impulsen und lebe MEIN eigenes Leben.
In meinen Tiefs – depressive Zuständen von dumpfer Taubheit mit ganz wenig Energie – hat es mir geholfen zu joggen, zu schwimmen, zu schütteln, Eis zu baden in 3°C kaltem Wasser, Zeit in der Natur zu verbringen und zu meditieren, mit nackten Füßen auf der Erde. Und immer wieder diese Ausrichtung:

Da, wo die Freude ist, da geht’s lang.

Zu fühlen, wo für mich die Freude ist, das war wesentlich für mich. Eisbaden war neben Bewegung und Schütteln ein ganz wesentlicher Schlüssel für mich, um in eine hohe Lebensenergie, in Freude zu kommen. Durch solche Methoden werden im Körper festgefrorene Energieblockaden gelöst. Das ist Voraussetzung dafür, dass mein Körper energetisch wieder in Fluss kommen kann, und ich in Verbindung mit meinem wahren Wesen. Eine wesentliche weitere Voraussetzung war und ist es, der Führung meiner Seele zu vertrauen. So habe ich nach und nach gelernt, meine Lebensenergie wieder hochzufahren 🙂

Ich öffne mein Herz für MICH.

Damit sprudelt Lebensenergie in Fülle. Möge dies Inspiration sein für Menschen mit ähnlicher Geschichte.
Ahe

Claudia Fich
https://www.homoeopathie-hamburg-fich.de/

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Antworten

  1. Liebe Claudia,
    Ich bin neu bei “liebevoll.jetzt” und sehr berührt von Deinem mutigen Leben und der Treue zu Dir selbst. Falls man auf diesem Wege auch Frgen stellen kann: Wie geht “schütteln” . Das würde mich sehr interessieren, weil ich selber Traumatisierungen erfahren habe..Es würde mich sehr freuen von Dir zu hören.
    Einen gesegneten Sonntag und viele liebe Kraftgrüße aus der schönen Bodensee-Region 🌞
    Leonora

    1. Liebe Leonora,
      danke für Dein Feedback und Deine Frage. Ich habe das Schütteln bei Ilan Stephani gelernt. Das ist eine Methode, mit der sich alte Muster / Energieblockaden aus dem Körper lösen lassen. Wir fangen ganz locker in den Knien und den Armen an, und dehnen das auf den ganzen Körper aus. Seit ein paar Wochen biete ich selber Schüttelsessions per zoom an.
      Wenn Du magst, komme doch gerne am kommenden Samstag um 12:00 Uhr dazu – am 16.3.24 um 12:00 schütteln wir wieder mit Musik für eine hellere heilere Welt:
      https://us06web.zoom.us/j/89340593258?pwd=qbazNusalKwZX2B4nGCbCt7PdVvlyj.1
      Ich freue mich, wenn Du dabei bist.
      Liebe Grüße
      Claudia

      Lasst es Euch gut gehen

  2. Hallo liebe Claudia, was für ein Mut und was für ein Licht !
    Die Schilderung deiner Kindheit schnürte mir fast die Kehle. Mutig und mit sehr großer Klarheit beschreibst du dann die darauf folgenden seelischen Stationen deines Lebens.

    Sehr berührt mich auch die Situation deiner Mutter.

    Und dann die Dir bewusst werdende, in Dir wohnende, wunderschöne, unbändige Kraft und jetzt aktuell das hell erstrahlende Licht, welches von dir ausgeht u.a. mit Deinen Themen- Veranstaltungen hier auf diesem Portal.
    Möge dein Mut, deine Kraft und dein Licht andere Menschen, die sich auf dem Weg zu ihrer eigenen, inneren Freiheit befinden, inspirieren und ermutigen.
    Ich wünsche dir alles Gute & Liebe beim Durchschreiten des von dir benannten “goldene Tor zu deiner Essenz”

    Eine gute und kreative Zeit dazu!
    LG, Klaus

  3. Liebe Claudia,
    mit offenem Herzen habe ich deine Geschichte gelesen. Manches erinnert mich an ähnliche Erlebnisse. Traumatisierungen solcher Heftigkeit prägen enorm. Es ist wahrlich eine Lebensaufgabe sich selbst in dem erlebten wider zu finden und zu lernen sich selbst zu lieben.
    Mir wird gerade bewusst wie stark diese Programmierungen sind, schlecht behandelt zu werden oder sich selbst schlecht zu behandeln.
    Seit einigen Monaten zeigt sich bei mir viel “altes und verborgenes”. Endlich darf es und kann es sich zeigen und heilen. Welch großes Geschenk und welche große Aufgabe.
    Ich wünsche uns alle gute Transformationen um frei zu werden für das Wesen was wir wirklich sind.

    Von Herzen

    Ariane

    P.S.: Die Schätze zu finden aus dem erlernten, hat mir geholfen mehr Frieden zu erleben und dankbar zu sein.

    1. Danke Dir sehr herzlich liebe Ariane für Dein feedback,
      ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir alle, genau so wie wir sind, richtig und gemeint sind. Nach meiner Erfahrung geht es darum, sich selber unabhängig vom Urteil im Außen zu machen. Und gerade das ist – bei Ablehnung in frühem Alter – so unfassbar schwer – aber möglich – Schritt für Schritt. Wir dürfen uns selber gut behandeln und alle anderen Wesen auch – Menschen, Tiere und Pflanzen. Die Welt ist so wie sie hier jetzt ist, nicht gemeint. Sondern liebevoll. Da gehen wir wieder hin:-! Es freut mich sehr, dass Du es schaffst, aus Deiner Geschichte heraus zu finden.
      Liebe Grüße
      Claudia

  4. Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht

    Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht,
    dann geht er schweigend mit ihm aus der Nacht.
    Aber die Worte, eh jeder beginnt,
    diese wolkigen Worte, sind:

    Von deinen Sinnen hinausgesandt,
    geh bis an deiner Sehnsucht Rand;
    gieb mir Gewand.
    Hinter den Dingen wachse als Brand,
    dass ihre Schatten, ausgespannt,
    immer mich ganz bedecken.

    Lass dir Alles geschehn: Schönheit und Schrecken.
    Man muss nur gehn: Kein Gefühl ist das fernste.
    Lass dich von mir nicht trennen.
    Nah ist das Land,
    das sie das Leben nennen.

    Du wirst es erkennen
    an seinem Ernste.

    Gieb mir die Hand.

    Rainer Maria Rilke, 4.10.1899, Berlin-Schmargendorf

      1. …. oh, vielen herzlichen Dank liebe Claudia, für den Mut, die Tiefe und das Teilen deiner Lebensgeschicht.
        In der Aufarbeitung solch tiefberührender Lebensphasen sind mir die Gedichte Rilke´s und Hesse´s – wie Balsam auf die Wunden, heilsamer Ausdruck seelischen Empfindens – an deren Schwelle wir u.a. unseren Wesenskern, einer bis dato ungeahnten Welt, wahrnehmen und ergründen dürfen ….

        ……. Auf welches Intrument sind wir gespannt?
        Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
        O süßes Lied.

        Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
        Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
        Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
        In andre, neue Bindungen zu geben.
        Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
        Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

        Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

  5. Liebe Claudia
    Fast konnte ich es nicht durchstehen diesen Start in dein Leben zu lesen und diese enorme Einsamkeit, Angst und das nicht gehalten werden so mitzufühlen. Ich war im Innersten betroffen und berührt . Du bist ein Stern am Himmel, wichtig für all jene die sich aufrichten und erste Schritte wagen dem Leben doch die Hand zu geben.

    Ich bin ein Rilke Fan – das ist ein für mich sehr bedeutsames Gedicht von ihm

    Lg Evi

    1. Liebe Evi,
      so herzlichen Dank für Deine Worte – mir kamen die Tränen beim Lesen. Als Kind wusste ich: es gibt etwas besseres als das hier. Da will ich hin. Und jetzt verstehe ich, dass es meine Aufgabe ist, dazu beizutragen, eine friedlichere freundlichere Welt zu erschaffen. Das mache ich auch hier auf diesem Portal mit Veranstaltungen: Die nächste am 15.3.24 hat den Titel “Wie kommen wir in Frieden mit uns und anderen?”
      Hab einen schönen Wochenstart
      Claudia

  6. Bewundernswert mutig und offensiv geschildert.
    Das passt zum Eisbaden 🙂 Keine Furcht mehr!
    Und wenn, dann kannst Du mit ihr liebevoll umgehen.
    Möge es vielen Menschen helfen, trotz und mit ihrer Vergangenheit den Weg in ein gutes und freudvolles Leben zu finden!
    Danke für Deinen Beitrag!