Pilgergeschichten vom Camino del Norte

Im Jahr 2020 bin ich zum ersten Mal gepilgert, auf der Via Regia. Es waren 460 km zu Fuß, von Görlitz an der polnischen Grenze, bis nach Vacha, an der ehemals innerdeutschen Grenze. Ich war in einer Gruppe unterwegs. Diese Reise veränderte mein ganzes Leben, innen und außen. Ich reduzierte in mehreren Schritten meine Wochenarbeitszeit, bis ich dann den Elektrotechnik-Ingenieur ganz “an den Nagel” hängte. Meine Interessen veränderten sich sehr. Ich studierte als Gasthörer ein Semester Psychologie und Philosophie. Ich begann, mich für die menschliche Psyche zu interessieren, insbesondere für meine eigene. Ich arbeitete meine Kindheitstraumata therapeutisch auf und holte viel Leben nach.
In dieser Zeit pilgerte ich ein weiteres Mal. Ich ging den Elisabethpfad, von Eisenach nach Marburg. Diesmal war ich ganz allein mit mir unterwegs. Es ist anders, allein zu pilgern. Man kommt sehr mit sich in Kontakt, öffnet sich nach innen und außen. Man ist nie wirklich allein, begegnet Menschen, am Weg und in den Herbergen. Es waren gute Erfahrungen. Ich werde mich wohl immer wieder auf den Weg machen, solange es mir körperlich möglich ist.

In diesem Frühling 2024 erfüllte ich mir einen Traum: Den Camino del Norte zu gehen. Er beginnt an der französisch-spanischen Grenze, geht an der nordspanischen Küste entlang und biegt dann ins Landesinnere ab.  Er führt den Pilger zur Kathedrale von Santiago de Compostela, einem der drei Ziele der europäischen Pilgerwege. Es waren 828 km zu Fuß, in 7 Wochen. Ich war überwiegend allein mit mir, und hatte auch ganz viele Begegnungen, mit wundervollen Menschen.
Ich habe ein Buch darüber geschrieben. Es entstand auf dem Camino. Das Buch schrieb sich im Grunde selbst. Beim Gehen und in den Herbergen tauchte viel in mir auf. Ich hielt an schönen Orten vom Wandern inne und lauschte in mich hinein. Manchmal sprudelte es aus mir raus, und ich schrieb es auf.
Einige Zitate aus meinem Buch möchte ich euch hier zeigen:
“Im Fußgängertunnel von San Sebastian rührte mich die Musik der Geigerin zu Tränen (da war ich nicht der Einzige). Das Ave-Maria hat mich den ganzen Tag getragen. Beim Pilgern in dieser atemberaubend schönen Landschaft öffnet sich meine Seele auf besondere Weise.  Während ich lange in dem Wald mit dem Bambus saß, klang das entfernte Grollen der Brandung bis zu mir herauf.  Es hat meine Seele mit Frieden erfüllt. Auch das Ave-Maria klang noch in mir nach. Ich war so voller Dankbarkeit, für diesen friedevollen Moment.”

“Ich gehe langsam. Ich setze mich oft hin und lausche den vielfältigen Klängen des Waldes, der wohltuenden Stille oder dem leisen Plätschern des Wassers. Ich sitze und lausche in mich hinein. Wenn keine Bank zum Sitzen verfügbar ist, sitze ich auf dem Waldboden.  Ich genieße es, während des Wanderns innezuhalten und meine Gedanken aufzuschreiben.”

“Und auf meiner Wanderung nach Santiago de Compostela darf ich erkennen: Das Pfingstwunder geschieht in den Pilgerherbergen. Menschen aus vielen Ländern der Erde verstehen einander, in der Sprache des Herzens. So erfahre ich den Heiligen Geist.”

“Nun, am Ende des Camino del Norte, würde ich sagen, dass das Pilgern keine Antworten auf offene Fragen liefert. Es zeigt uns aber, was uns möglich ist, wenn wir uns aus unserer Komfortzone heraustrauen und uns auf den Weg machen. Wenn wir bereit sind, die Herausforderungen anzunehmen, die uns begegnen werden. Wenn wir bereit sind, das Unangenehme in Kauf zu nehmen, das uns begegnen wird: nass, windig, matschig, rutschig, auch mal etwas schmerzig hier und da: Es gehört dazu, ebenso wie das Beglückende, was uns auch begegnen wird. All das wird uns begegnen, wenn wir wage-mutig sind, uns auf äußere Unsicherheiten einzulassen und neue Erfahrungen zu machen.”

Ich habe aufgeschrieben, was beim Pilgern so in mir aufgetaucht ist, nicht mehr und nicht weniger. Am Anfang was das eher wenig, und es ging da mehr um das äußere Erleben. Der Weg hat es verändert, weil er mich verwandelt hat. Ich schrieb dann im Laufe der Wochen immer öfter, und es ging immer mehr um das innere Erleben.

Mein Buch ist als Taschenbuch und als eBook (ePUB und Kindle) erhältlich. Ich lese – als 62-jähriger Träger einer Gleitsichtbrille – lieber eBooks, weil man da die Schriftgröße einstellen kann. Das Taschenbuch ist aber auch seniorengerecht geschrieben, in großer und gut lesbarer Schrift. Es kam am 23. August 2024 heraus und ist in den Buchläden und in den Online-Shops auf Bestellung erhältlich, unter dem Titel “Pilgergeschichten vom Camino del Norte”, von Johannes Visosky. Man bekommt es in Deutschland, in Österreich, in der Schweiz und in vielen weiteren Ländern der Welt. Die Lieferzeit beträgt nur wenige Tage.

Johannes Visosky

Weitere Beiträge

Antworten

  1. Vor einiger Zeit folgte ich dem Lesetipp einer begeisterten und erfahrenen Jakobsweg-Pilgerin, die im Frühjahr den Weg von Barcelona querrüber nach Santiago de Compostela zu Fuß gepilgert ist und mich über Zwischenberichte daran hat teilhaben lassen. Per Video bin ich sogar einige kurze Strecken „mitgepilgert“. Das war für mich ein sehr intensives Miterleben.
    Der Lesetipp bezieht sich auf den Artikel DIE REISE ZUM INNEREN HEILIGTUM. Dort schreibt der Chefredakteur und Pilger Roland Rottenfußer über das Pilgern und beginnt seinen Bericht mit der Einleitung:
    „Pilgern in modernen Zeiten ist nach außen hin eine recht nüchterne Sache: Herbergssuche, leichtes Gepäck, Spaß mit Weggefährten … In gewisser Weise sind Wallfahrten seit Hape Kerkelings Bestseller über den Jakobsweg heute sogar wieder „cool“ oder gar „kultig“. Trotzdem fühlen sich viele der Reisenden noch immer von einem Geheimnis berührt, das sie erschüttert oder gar ihr Leben ändert. Wie ist das möglich? Vielleicht weil wir in den Schuhen des Pilgers einen jahrtausendealten religiösen Archetyp verkörpern. Und weil die Wallfahrt ein Abbild der größeren Lebensreise ist.“

    Der Autor schöpft als Sachkenner und Pilger aus eigenen, wertvollen Erfahrungen.
    Besonders interessant finde ich die Beschreibung einer Vielfalt von inneren Prozessen, mit denen Pilger vor Reisebeginn bis zum Erreichen des Pilgerzieles und darüber hinaus konfrontiert werden.
    Als der Autor jedoch von den Hindernissen berichtet, die möglicherweise vor Antritt des Pilgerwegs zu überwinden sind, wusste ich für mich persönlich sehr klar, dass ich eine beginnende Grippe nicht als zu überwindendes Hindernis, sondern als deutliches Signal auffassen würde, den Weg (jetzt) nicht anzutreten :o)
    Wen der Artikel näher interessiert, kann ihn sich über folgenden Link anschauen:
    https://www.manova.news/artikel/die-reise-zum-inneren-heiligtum