Über das Anderssein – Ein Erfahrungsbericht

Als Außenseiterin ist sie aufgewachsen und vor allem die Schulzeit war nicht leicht. Natalia hat sich in ihrem Leben oft in der Rolle der Außenseiterin wiedergefunden. Sie erzählt uns in diesem Text, welche Erfahrungen sie in ihrem Leben gemacht hat.

Ein Text von Natalia Trott

Ich bin anders als andere und genau so mag ich mich. Von der fünften Klasse an hatte ich das Gefühl, dass ich einfach anders bin als viele andere Menschen.

Aber was ist schon anders? Dass meine Eltern mich kein RTL II schauen lassen haben!? Dass meine Eltern mir nicht alles vor die Füße getragen haben und ich verschiedene Dinge, wie Fahrten ins Kino, selbst managen musste!? Dass ich materiell nicht überhäuft wurde!? Dass ich in der fünften Klasse noch sehr verspielt war, weil meine Eltern eben genau das mit mir getan haben-Spielen!?

Dass ich mich in der vierten Klasse erstmals und ab 16 intensiv mit dem Tod auseinander gesetzt habe!? Dass ich vermeintlich verrückte Gedankengänge habe!? Für mich ist anders normal.

Dennoch können viele Menschen meine Gedanken und mein Handeln auf den ersten Blick nicht nachvollziehen. Noch viel wichtiger, die Meisten wollen es auch gar nicht. Aus diesem Grund war ich seit der fünften Klasse immer wieder ein Außenseiter. Eine durchaus unschöne Erfahrung, die ich damals gern anders gewollt hätte. Doch auch sie gehört zu meinem Lebensweg, von dem ich nie wusste, wie ich ihn hätte ändern sollen. Meinerseits waren da viele Selbstzweifel – geprägt von außen, viel sozialer Druck und sicher auch ein wenig Neid den anderen gegenüber, aber die brachten mich keinen Schritt weiter. Also lebte ich einfach weiter. Ich fing an mich mit den Rahmenbedingungen zu arrangieren.

Ich lernte mit mir selbst allein zu sein und dabei lernte ich meine inneren Konflikte und Selbstzweifel zu überwinden. Mit dem Fazit, dass ich mich mit meinen Gedanken und Gefühlen nicht ändern kann. Was nicht heißen soll, dass sich meine Ansichten nicht ändern können.

Ich hatte gemerkt, dass es mir nicht gut tut, diese Gedanken und Gefühle weg zu drücken oder zu überspielen. Denn diese Gedanken und Gefühle sind der einzig echte Ausdruck meiner wahren Persönlichkeit. Egal wo ich bin, bis heute gebe ich diesen Gedanken und vor allem diesen echten Gefühlen ihren Raum. Wenn ich während einer Szene in einem Kinderfilm, zu weinen beginne, dann ist das so. Ich erinnere mich an etwas – ich fühle etwas – ich lebe!

Es ist mir mittlerweile einfach egal, ob andere Menschen Verständnis dafür haben wie ich denke und fühle oder nicht. Denn ich lasse in diesem Moment zu, so zu sein wie ich bin. Diese Emotionskette ruft im selben Moment auch ein gewisses Gefühl der Befreiung in mir hervor, wodurch ich immer wieder Frieden mit mir selbst schließen kann. Trotz dieser peinlichen und stark angreifbaren Position, lasse ich es also zu, mich selbst liebevoll zu behandeln. Indem mein Körper Tränen als Ausdruck eines tiefen Mit-Gefühls vergießt. Und mein Umfeld!? Reagiert meist mitfühlend. Die echte Emotion löst in ihnen selbst eine echte Reaktion aus. Entweder sie schweigen andächtig oder sie fragen nach. Einige fangen selbst an zu weinen. Manche fangen an selbst zu erzählen. Am Höhepunkt meines Außenseitertums haben Menschen angefangen sich mir zu öffnen. Ironischerweise auch die, die meine Position als Außenseiter durch ihr Handeln verstärkt haben.

Wahrscheinlich, weil sie jemanden gebraucht haben, der ihnen ehrlich zuhört und ihnen Raum für ihre Gedanken und Gefühle gibt. Jemanden, der ihnen Raum gibt ehrlich und liebevoll mit sich umzugehen, ohne dabei zu werten oder zu urteilen.

Diesen offenen Raum des Zuhörens anzubieten, ist mir meiner Meinung nach nur möglich, weil ich diesen Weg selbst gegangen bin.

Ich schreibe nie private Social – Media Beträge, da ich denke, dass sie häufig ihren Zweck verfehlen. Doch mein Bauchgefühl, sagt mir, dass es wichtig ist hier für liebevoll jetzt! Einen Beitrag zuschreiben. Ich bin keine bekannte Persönlichkeit, ich werde kein tolles Buch schreiben und auch keine spirituell bereichernden Quellen nennen. Denn, ich denke, die Wahrheit liegt in uns selbst.

Ich möchte jeden ermutigen ehrlich zu sich selbst zu sein und durch die Akzeptanz der eignen Gedanken und Gefühlswelten Frieden mit sich selbst und dem Rest der Welt zu schließen.

Lediglich Emotionen der Aggression sollten, in meinen Augen einer Selbstkontrolle unterliegen, um sowohl Lebewesen zu schützen, als auch Sachbeschädigung zu vermeiden – den auch diese wirkt verletzend für Menschen. Nur wer echte Emotionen fühlt, kann Liebe spüren und weitergeben.

Und wie das Team von Liebevoll jetzt! Glaube ich, dass es sehr wichtig ist, dass genau jetzt mehr liebevolles Verhalten der Menschen zu sich selbst und zu einander nötig ist.

Es freut mich, dass immer mehr Menschen (auch aus meinem privaten Umfeld) sich mit dem Thema der Selbstliebe befassen. Denn in meinen Augen ist ein Wandel zur Liebe, ein Wandel zum friedlichen Leben. Vielen herzlichen Dank an das Team von

Liebevoll jetzt! für diese wundervolle Plattform.

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Antworten

  1. Liebe Natalia,
    vielen Dank für deinen offenen Beitrag. Du bist „anders“ genau so wie ALLE Menschen. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube zu denken, dass es Menschen gibt, die „normal“ sind und eine homogene Gruppe bilden. Betrachtet man die angeblich „normalen“ Menschen im Einzelnen so zeigt sich , dass jeder von denen anders, Außenseiter ist und mit viel Energie zwanghaft dem nacheifert, was er/sie für normal hält. Es sind immer die Anderen, die die Messlatte bilden, die wir für „normal“ halten.
    Niemand wird das Ziel „normal“ zu sein je erreichen. „Normal“ ist ein Phantom, das nicht existiert.

    Toll, dass du den Mut hattest/hast dich dem Normzwang zu widersetzen. Auf meinem eigenen Weg habe ich selbst erlebt mit welchen Mitteln die „Normalen“ versuchen „Außenseiter“ zu bekämpfen. Für den „Normalen“ ist die Existenz des Andersseins nur schwer ertragen weil er genau das symbolisiert, was der „Normale“ sich selbst nicht zu sein erlaubt.

    Mahatma Gandhi: „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“
    Bleib auf deinem Weg dann bleibst du bei dir.
    Sonnige Grüße

  2. Liebe Natalia,
    vielen Dank für diesen Beitrag. Ich bin auch anders. Ich bin 59. Dass ich zu den Hochsensiblen gehöre, habe ich erst vor wenigen Jahren begriffen. Bis dahin habe ich mich häufig falsch gefühlt.
    Ich konnte mich immer gut anpassen, was mir z.T. aber sehr geschadet hat: ich habe mich verloren. – Mich nicht anpassen bedeutet allein sein. Das war ich den größten Teil meines Lebens.
    Mein Glück war, dass ich Eltern habe, die auch anders sind, mich in meinem anders sein versucht haben zu unterstützen. Aber sie waren selbst mehr oder weniger traumatisierte Menschen, haben selbst oft einfach nur versucht, dazu zu gehören.
    Im Grunde wünschen sich alle Menschen, sich richtig zu fühlen, so wie sie sind. Die Erkenntnis, dass nur ich mir dieses Gefühl geben kann, hat mich einsam gemacht. Aber inzwischen gibt es einige um mich, denen es ähnlich geht, mit denen ich mich verbunden fühle. Das genügt, um weitermachen zu können.
    Diese Plattform hier bietet neue Hoffnung. Ich freue mich auf Kontakte hier.
    Liebe Grüße an alle, die diese haben wollen.
    Elisabeth

  3. Liebe Natalia, ich wünschte ich hätte deine Kraft und deinen Mut zum “Anderssein”! Ich bewundere das sehr! Auch ich bin anders, meine starken Gefühle habe ich früh gelernt zu verbergen. Sie wurden/ werden nicht verstanden oder toleriert! Aus dem Elerternhaus kam immer wieder dieser Satz: ” Das darf “man” nicht! Das gehört sich nicht!” Es hat mich so geprägt.
    Jetzt fange ich gerade an – mit knapp 55 Jahrrn – auf die negative Meinung der anderen nichtmehr zu hören und meinen Weg zu gehen! Vielen Dank für deinen Mut machenden Text!

    Liebe Grüße Beate

  4. Liebe Natalie,
    ich bin noch ganz frisch hier und muss mich erst einmal durcharbeiten. Dein Beitrag ist der Erste der mich angesprochen hat. Sehr sogar. Da ich selbst schon immer eine Außenseiterin war/bin. Es ist noch nicht lange her, da wurde ich auf die Hochsensibilität aufmerksam und habe mir darüber ein Buch gekauft. Das Thema hat mir sehr geholfen. Bisher dachte ich immer ich sei kaputt … nicht normal … oder Borderliner mit gestörter Persönlichkeit- wie man mir diagnostizierte. Gerald Hüther hat mich tief berührt – speziell ein Interview auf YT “Momente gelingender Beziehung” … Ich habe durch meine Kindheit viele Traumata aufzuarbeiten. Komplexe PTBS würde ich diagnostizieren xD so als Laie. SELBSTLIEBE ist meiner Meinung nach die einzige Lösung aus dem Schlammassel hier. Das ist ja alles nur durch den SELBSTHASS möglich. Es ist so wichtig das wir Menschen, ob Außenseiter oder nicht, uns endlich so annehmen und lieben wie wir sind- ohne Maske. Das wir lernen uns anzunehmen- dann können wir auch die anderen sein lassen 🙂
    Danke für deinen Mut dich hier zu zeigen und dein Sosein. Wir brauchen mehr Mutmenschen und wir müssen uns zusammen tun, denn ich glaube, WIR sind Viele <3

  5. Liebe Natalia,
    vielen Dank für deine Offenheit. In einigen Passagen deines Beitrags konnte ich mich sehr gut Selbst wiederfinden.
    Auch ich durfte spannende Erfahrungen mit dem Aussenseiter sein machen und habe viele Jahre genau das in mir abgelehnt.
    Noch mal vielen Dank für deine Impulse.