Veränderung – meine neue Sicherheit

Offensichtlich hatte ich mir bei der Ankunft im Leben vorgenommen, es dieses Mal genau wissen zu wollen. Ich glaube mittlerweile, der Sinn meines Lebens ist es, meiner Seele viele Möglichkeiten für Entwicklung und Wachstum zu geben. Wenn ich am Ende meines Lebens irgendwo angekommen sein will, dann in einer schönen Seele, die alles liebt, was ist. Schon früh galt mein Interesse den Menschen in ihrem Miteinander. Allerdings nahm ich die Welt um mich herum als nicht besonders liebevoll wahr, und oft passten die Worte und das Verhalten der Menschen für mich nicht zusammen. Ich hatte den Eindruck, in eine seltsame Welt geraten zu sein. Irgendwie war hier etwas ver-rückt. Zunehmend erwachte in mir das Bedürfnis, diese Welt und die Menschen verstehen zu wollen, und so machte ich mich auf den Weg …
Ja, es gab die Zeiten, da verzweifelte ich an der Welt, wie sie sich mir zeigte, und besonders als Jugendliche richtete sich dieser Zweifel oft auf mich selbst. Aber es gab immer wieder glückliche Umstände und Erfahrungen, die mich aus jedem Schlamassel wieder befreiten. Ich lernte, dass das Leben wirklich sehr schrecklich und schmerzhaft sein konnte, aber es niemals so geblieben ist. Es gab Zeiten, da fühlte ich mich mehr tot als lebendig und doch ging immer wieder die Sonne am Himmel auf und erweckte mich erneut zum Leben.
Aber auch meine eigenen Kräfte, mein Wille, etwas nicht weiter hinzunehmen, sondern Lebenssituationen verändern zu wollen und zu können, waren Erfahrungen, über die ich sehr dankbar bin. Hilflosigkeit oder das Gefühl von Ohnmacht wich immer wieder einer Selbstwirksamkeit, die ich sogar später bei meiner Enkelin hörte: „Ich schaff das!“ So entstand eine innere Zuversicht, dass entweder das Leben selbst, fast ohne mein Zutun, oder durch meine eigene Entscheidung sich letztendlich alles zum Guten wendete.
Und so hörte ich mich immer wieder „Ja“ sagen, obwohl mir klar war, es würde evtl. nicht nur schön sein, sondern es könnten auch unangenehme Situationen auf mich zukommen. Es war so, als wollte etwas in mir einfach all diese Erfahrungen machen und daran wachsen. Es kreuzten viele Lehrer und weise Menschen meinen Weg und es gingen viele Türen für mich auf. Wissen hat mich nie interessiert – ich wollte alles erleben und erfahren, mehr das Dazwischen als das Offensichtliche.
Für mich ist die Sonne etwas Wundervolles und ein gutes Vorbild. Sie ist einfach da und tut, was sie tut: Sie strahlt, erhellt alles und macht es lebendig. Alles ist wichtig, alles darf sein und gesehen werden. Zum Wohle des Ganzen. Niemand wird ins Licht gezerrt – wer im Dunkeln leben will, kann das tun. Jedoch dort, wo die Sonne scheint, dort wo das Leben ist, da wird es schwierig, auf Dauer im Dunkeln zu bleiben.

Und mit dieser Entscheidung für das Leben entsteht für mich eine neue Sicherheit.

Wir sind es gewohnt, Sicherheit durch Stabilität und Struktur zu erreichen. Ein Fels in der Brandung vermittelt Sicherheit. Grenzen, Wände oder ein Gartenzaun – ich hier und du da – machen Sicherheit. Mit dem Versuch, etwas Unangenehmes oder Bedrohliches zu vermeiden, kann es dann schon mal eng werden. Wenn ich allerdings erkenne, dass ich dabei meine Lebendigkeit und mein Wachstum einschränke, dann kann ich eine ganz neue Form von Sicherheit finden.
Diese neue Sicherheit ist Bewegung und Veränderung in einem Raum ohne Grenzen. Das macht mich erst mal unsicher. Wie kann Veränderung Sicherheit machen? Das kenne ich nicht. Brauche ich Kontrolle und dass möglichst alles so bleibt, wie es ist? Aber unglücklich und eng sein will ich auch nicht. Das Universum hat keine Grenzen. Also, wenn ich wachsen will, brauche ich Raum, um mich zu entfalten.
In diesem neuen Raum ist alles möglich, weil dort alles sein darf. Es ist Platz für Schönes und nicht so Schönes. Bewegung und Veränderung sind sehr wichtig. Denn, erst wenn ich mir sicher bin, dass etwas nicht bleibt, wie es ist, kann ich auch Negatives zulassen. Wenn mal etwas unangenehm ist, dann gibt es die Gewissheit, dass es sich auch wieder verändert. Alles vergeht, alles ist ständig in Bewegung, das möchte ich nicht mehr vergessen.
Alles darf sein und nichts wird je so bleiben. Die Lösung bzw. Erlösung liegt im Werden und Vergehen. Alles kommt und alles geht. Erst wenn ich mir sicher bin, dass nichts bleibt, dann darf auch alles sein. Dann habe ich keine Angst mehr. Ich fühle mich getragen und frei. Ich glaube, dieser neue Raum entsteht nicht, indem wir einen Schalter umlegen, sondern es ist ein Prozess, in dem wir uns miteinander entwickeln und vertrauensvoll Herausforderungen annehmen.

Das Fazit aus meinen bisherigen Lebenserfahrungen: Annehmen und lieben, was ist, sich wirklich hingeben, aber niemals aufgeben.

Birgit Mies

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Antworten

  1. So einen schönen und lebendig leichten Liebessong habe ich selten gelesen. So herrlich erfrischend und dabei so authentisch. Toll. Dankeschön. Ich hoffe ja immer, dass ich zu dem Menschen werde, den mein Hund in mir sieht. Jetzt überdenke ich mein Vorbild. 😉Liebe Grüße Simone

  2. Liebe Birgit,
    herzlichen Dank für diesen vielschichtigen und erkenntnisreichen Erfahrungsbericht.
    „Annehmen und lieben was ist“, beinhaltet wohl mehr als ich zurzeit vermag. Wie könnte mein Verhalten mit diesem Leitsatz angesichts von schädigenden Missständen im persönlichen wie auch im gesellschaftlichen Bereich aussehen? Dagegen steht bei mir oft der von dir genannte „Wille, etwas nicht länger hinzunehmen“.
    Als ich persönlich mal in einer sehr belastenden Situation war, fand ich für mich folgende verwandte Orientierung: „Alles ist genau so richtig, wie es gerade ist, nicht damit es so bleibt, sondern dass sich Besseres, Höheres und Schöneres daraus entwickelt…“ Aber auch da: Wer entwickelt da? Was liegt in meiner Macht, was nicht? Wobei mir jetzt gerade das überlieferte Gebet einfällt. „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
    Ja und die Sonne liebe ich auch in der von dir beschriebenen Weise. Dazu habe ich auch noch das Glück, sozusagen in einem „Adlerhorst“ hoch oben über den Dächern der Stadt zu wohnen. Meine Liebe zur Sonne geht soweit, dass ich an allen Fenstern Platz habe, mich dorthin zu setzen, ihr Licht und ihre Wärme aufzunehmen und auch die ziehenden Wolkenkunstwerke zu bestaunen. Wenn die Sonne in Herbst und Winter flacher steht, kommt sie besonders gut in meine Stuben…
    Unterwegs…und mit herzlichen Grüßen
    Heion

  3. liebe Birgit, ein wunder-voller Erfahrungsweg, den Du hier teilst. Ich kann mich auch in den Abschnitten der schwebenden Veränderung gut selbst sehen, wo es noch nicht klar ist, wohin es geht, es sind sehr spannende Momente, auch mal anstrengende. Im bewussten endlosen WERDENWOLLEN sehe ich mein Potential, wo sich auch die Sicherheit aufhält. Danke ❤️lich, Angelie

  4. Liebe Birgit, die Worte, die du gefunden hast, berühren mich sehr. Ich danke dir fürs Teilen. Und ich bin dankbar, hier Menschen zu finden, die sich ein Stück in und bei ihrer Entwicklung begleiten. Liebevoll, Caro.

  5. Ein wunderbarer Beitrag, dem ich zustimmen kann. Ein Leben ohne Herausforderungen, ohne Zeiten der Dunkelheit, ohne Wachstumsschmerzen gibt es nicht. Die Bereitschaft zum Loslassen des Vergangenen, zum Annehmen des Augenblicks und die Akzeptanz zur Veränderung ist auch mein Seelenweg.